Nach der Mythologie der Maya bestand das Universum aus drei Ebenen: der Himmelswelt, einer von Menschen bewohnten Mittelwelt und der neunschichtigen Unterwelt Xibalbá. In diese Unterwelt, in der nach dem Glauben der Maya die Todesgötter herrschen, stiegen wir heute hinab.
Für die knapp 40 Kilometer lange Strecke von San Ignacio bis zur ATM-Höhle benötigten wir etwas mehr als eine Stunde, wobei die letzten 10 Kilometer aufgrund des unbefestigten Weges einen Großteil der Zeit in Anspruch nahmen.
Die Mitnahme von Fotoapparaten oder Videokameras war strikt verboten. Um dennoch einen Eindruck von der Höhle zu vermitteln, habe ich zur Veranschaulichung einige Bilder mit Quellenangabe aus dem Internet verwendet.
Nachdem wir Helm, Stirnlampe und Schwimmweste angelegt hatten, brachen wir sofort auf. Bis zum Höhleneingang lag noch eine 45-minütige Wanderung durch den subtropischen Regenwald vor uns, wobei wir den Fluss Roaring Creek dreimal schwimmend oder watend überqueren mussten.
Wegen der Wassertiefe mussten wir den Höhleneingang schwimmend überwinden. Für die nächste Stunde folgten wir gegen die teils starke Strömung dem Wasserlauf immer tiefer in die Höhle hinein. Die Wassertiefe variierte dabei von knietief bis halshoch. Unzählige Formationen von Stalaktiten und Stalagmiten säumten unseren Weg, wobei wir auch einige Engstellen überklettern mussten. Die Deckenhöhe schwankte ebenfalls stark, von wenigen Metern bis hin zu 20 Metern, wobei sich über uns bis zu 120 Meter dickes Gestein erstreckte.
Die Höhle ist durch Wassererosion entstanden und ihr Alter wird aufgrund der Größe der Tropfsteinformationen auf etwa zwei Millionen Jahre geschätzt.
Nach dem ersten abenteuerlichen Abschnitt folgte nun der archäologische Teil der Tour. Hierfür mussten wir vom Wasserlauf zu den höher gelegenen Kammern hinaufklettern. Der weitere Weg führte uns über heiligen Boden der Maya, weshalb wir die Schuhe auszogen und auf Socken weitergingen.
So erreichten wir eine riesige Halle mit beeindruckenden Tropfsteinformationen. In dieser Halle, so wird vermutet, hielten die Maya ihre Opferzeremonien ab, um die Götter gnädig zu stimmen.
Anfangs handelte es sich meist um Keramikgefäße, in denen Opfergaben in Form von Speisen dargebracht wurden, aber es waren auch Schalen für sogenannte Blutopfer darunter.
Dieses Symbol, vermutlich ein Affe, wurde bisher nur auf wenigen Gefäßen gefunden.
Im weiteren Verlauf zeugten Schädel und Knochen von rituellen Menschenopfern, wobei die Maya auch vor Frauen- und Kinderopfern nicht zurückschreckten.
In der letzten Kammer unserer Tour stießen wir auf den Höhepunkt: die ‚Crystal Maiden‘ – das vollständig erhaltene Skelett einer etwa 18-jährigen Frau, das von den Kalkablagerungen umhüllt war und dadurch leicht kristallin glänzte.
Der Rückweg aus der Höhle erfolgte größtenteils auf dem gleichen Pfad wie der Weg hinein, doch bei den Engstellen hatte unser Guide Eduardo noch ein paar Schlupflöcher für uns parat. Ohne seine Anweisungen zum Bewegungsablauf wären wir hier nicht hindurchgekommen.