Segelabenteuer in der Karibik: Von Guanaja nach Providencia

Wir haben endlich von Guanaja aus Kurs auf die Cayman-Inseln genommen. Die Wetterprognose für die nächsten fünf Tage sah für diese anspruchsvolle Passage – gegen Wind und Strömung – so gut aus wie schon lange nicht mehr.

Donnerstag, 20. März 2025

Um 8 Uhr morgens lichten wir in Guanaja den Anker. Mit Motorunterstützung passieren wir das Außenriff und segeln hinaus in tiefes Wasser. Unser Ziel liegt 310 Seemeilen entfernt in ostnordöstlicher Richtung.
Da die Hauptwindrichtung in der Westkaribik zu 95 % aus Osten kommt, können wir zunächst nur hart am Wind mit 3 Knoten nach Norden segeln. Ab 16 Uhr soll der Wind auf Nord drehen, sodass wir auf Steuerbordbug in Richtung Ost-Südost weiterfahren können.

Das Sargassumgras ist in mehr oder weniger großen Flächen allgegenwärtig. Auch in die Nacht hinein segeln wir unter Mondschein, der mehr als die halbe Nacht den Ozean erhellt.

Nautische Daten – 1. Seetag
Mittagsposition: 16° 36,8’N, 85° 41,8’W
ETMAL: — Log: 16,9 nm

Freitag, 21. März 2025
Die Nacht verläuft ruhig mit konstantem Wind um 4 Bft. So können wir unseren Kurs beibehalten, bis auf einen kurzen Kreuzschlag in südöstlicher Richtung. Der Gegenstrom bleibt mit maximal 0–0,5 Knoten schwach.

Der Höhepunkt des Tages: Eine große Schule Delfine, darunter viele Jungtiere, begleitet uns für über eine Stunde.
Am Abend flaut der Wind auf 3 Bft ab, bleibt aber stabil in seiner Richtung. Daher beginnen wir mit dem Aufkreuzen nach Nordosten. Dies kostet uns zwar zusätzliche Strecke, bringt uns dem Ziel aber kaum näher. Alle 12 Stunden laden wir über Starlink die neuesten Wetterdaten herunter. Noch sieht die Prognose gut aus – ein erhoffter Winddreher auf Südost sollte uns am nächsten Tag direkten Kurs auf die Cayman-Inseln ermöglichen. Doch um davon zu profitieren, müssen wir noch einen Tag in Richtung Osten Strecke gutmachen.

Nautische Daten – 2. Seetag
Mittagsposition: 16° 32,0’N, 84° 24,3’W
ETMAL: 116,2 nm Log: 133,1 nm

Samstag, 22. März 2025
In der Nacht nutzen wir einige Winddreher, um weiter nach Osten zu segeln. Wind und Welle nehmen wieder zu.

Doch am späten Nachmittag die Enttäuschung: Der Winddreher bleibt schwächer als vorhergesagt, stattdessen frischt der Wind auf 6 Bft auf. Zudem würden wir auf dem Weg zu den Cayman-Inseln durch den karibischen Strom segeln müssen – mit bis zu 2,5 Knoten Gegenströmung. Unter diesen Bedingungen würden wir entweder nie ankommen oder tagelang aufkreuzen müssen.
Wie so oft bei der Seefahrt kommt alles anders als geplant. Neues Ziel: Providencia – eine Insel, zu de ein berüchtigtes Piratengebiet gequert werden muss.

Nautische Daten – 3. Seetag
Mittagsposition: 16° 45,3’N, 83° 13,4’W
ETMAL: 117,4 nm Log: 250,5 nm

Sonntag, 23. März 2025
Bei 5–6 Bft kommen wir in südöstlicher Richtung schnell voran. Doch die Nacht ist anders als die vorherigen.
Wir fahren im Stealth-Modus: keine Licht an Bord, keine Positionslichter und kein AIS-Signal. Der Himmel ist komplett bedeckt, es regnet gelegentlich leicht. Unsere Umgebung beobachten wir ausschließlich mit Radar.
Gegen 1 Uhr bemerken wir ein Licht im Osten, das sich schnell als ein weißes, helles Signal entpuppt – konstant in unserer Peilung und immer näher kommend. Werden wir entdeckt? Unser Mast ist auf jedem Radar gut sichtbar. Doch auf unserem Bildschirm erscheint nichts – also muss es sich um ein kleines Boot handeln.
Wir vergrößern die Segelfläche und segeln mit 7–8 Knoten, schneller als unsere eigentliche Rumpfgeschwindigkeit. Das Licht folgt uns hartnäckig. Erst nach 1,5 Stunden beginnt es, langsam nach hinten zu wandern. Nach 2 Stunden und dem Aufgang des Mondes, der glücklicherweise hinter Wolken verborgen bleibt, ist es verschwunden.
Was war das? Piraten? Schmuggler? Fischer? Wir wissen es nicht – und sind auch froh darüber. Noch immer liegen 50 Seemeilen dieses berüchtigten Seegebiets vor uns.

Bei Tagesanbruch beruhigt sich der Wind etwas. Nur das Kreuzfahrtschiff Mein Schiff 1 überholt uns in 2 Seemeilen Entfernung. Wir segeln weiter hart am Wind, um schnellstmöglich aus dieser Region herauszukommen. Die Gegenströmung nimmt zu – bis zu 2 Knoten. Uns wird klar: Erst in der nächsten Nacht erreichen wir sicheres Gewässer. So verbringen wir den Anfang der zweiten Nacht im Stealth-Modus, bis wir endlich südlich des 15. Breitengrads das Seegebiet Kolumbiens erreichen.

Nautische Daten – 4. Seetag
Mittagsposition: 15° 40,7’N, 81° 44,8’W
ETMAL: 120,0 nm Log: 370,5 nm

Montag, 24. März 2025
Der letzte Seetag bringt erneut starken, böigen Wind. Der Seegang wird grober, neben den Windwellen trifft ein Dünungsschwell von über 3 Metern nahezu im 90-Grad-Winkel auf uns. Der elektrische Autopilot kann den Kurs nicht mehr halten – also ist Handsteuerung angesagt.

Providencia bleibt bis zuletzt im Dunst verborgen. Erst auf 5 Seemeilen Entfernung tauchen die ersten Umrisse der Berge auf.

Zum Sonnenuntergang passieren wir das gut betonnte Fahrwasser und erreichen die geschützte Bucht der Hauptinsel sowie die vorgelagerte Insel Santa Catalina. Die Ankerbucht ist nahezu leer – und so fällt unser Anker exakt an derselben Stelle wie im Vorjahr.

Nautische Daten – 5. Seetag
Mittagsposition: 13° 58,9’N, 81° 28,8’W
ETMAL: 120,0 nm Log: 370,5 nm
Gesamtlog: 517,3 nm
Gesamtreisezeit: 5 Tage, 9 Stunden, 30 Minuten

Die obige Karte zeigt unsere Wegstrecke und die über das CSSN (Caribean Security and Safty Network) aufgenommen Piraterie- und Kriminalitätsbericht der vergangenen zwei Jahre. Der jüngste Vorfall ereignete sich am 20. März 2025, nur 20 Seemeilen von unserer Kurslinie entfernt, am südlichen Rand des betroffenen Gebiets. An der mit „X“ markierten Position hatten wir die verdächtige Aktivität wahrgenommen.

Fazit
Was als Kurs auf die Cayman-Inseln begann, endete mit einer unerwarteten Entscheidung. Piraten oder nicht – wir werden es nie erfahren. Doch das ist Teil des Abenteuers, das das Segeln in diesen Gewässern ausmacht. Jetzt benötigen wir erst ein paar Ruhetage.

3 Gedanken zu „Segelabenteuer in der Karibik: Von Guanaja nach Providencia“

  1. Wie aufregend. Die Begleitung durch die Delphine – und dann die nächtliche Begegnung/Verfolgung? Zum Glück ist alles gut gegangen. Gute Erholung 😘🤗. IuJ

  2. Hallo Hartmut, hallo Rita,
    Ich bin beeindruckt von euren Unternehmungen.
    Für mich als Warmduscher wäre das alles (im Besonderen die Aufregung mit möglichen Piraten) nichts.
    Ich wünsche euch weiterhin alles Gute, kein Stress und keine Unfälle.
    Viele Grüße.
    Joe (DL5TT)

    1. Hallo Joe,
      vielen Dank, die Wünsche können wir brauchen. Der weitere Weg in den Süden wird auf jeden Fall wieder sicherer.
      H & R

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